Wenn du große Angst davor hast, beispielsweise zur Hautkrebsvorsorge zu gehen, weil du nicht nackt vor deinem Arzt stehen möchtest, dann solltest du verstehen lernen, dass nackt zu sein auch etwas Schönes und Befreiendes ist.
Irgendwann riss mir die Ärztin meine Unterhose einfach herunter, ich hatte mich vehement dagegen gewehrt, sie auszuziehen; dabei war ich ein sechsjähriger Junge. Das habe ich noch immer bildlich im Kopf, wie ich da im Behandlungszimmer stand, meine Mutter auf mich einredete und ich mich weigerte; weil ich mich nicht völlig nackt zeigen wollte.
Unglaublich – aber wahr: Das war ich! Ich schämte mich: vor weiß nicht was?!
Heute strahle ich damit, nackt zu sein, nicht nur vor dem Arzt, nein überall: in voller Freude mit dem Gefühl der Freiheit, diese elende Angst und Scham los zu sein.
Ich glaube schon, dass es dieser Moment war, als die Unterhose endlich unten war: es war völlig harmlos, die Ärztin untersuchte mich – und es fühlte sich sogar befreiend (!) an. Ich würde „seltsam“ sagen, wenn ich es heute nicht besser wüsste, aber es war die logische Konsequenz im Erlebten: Die unüberwindbar scheinende Angst, einmal: durchbrochen, war… weg; und nicht nur weg, ich fand sogar gefallen an dem Gefühl, so angstbefreit nackt zu sein.
In diesem Blogartikel wirst du lernen,
– was die Angst vor Nacktheit als eine Phobie ist,
– und was ihre gesellschaftlichen Auswirkungen sind.
Die übertriebene Angst, nackt zu sein: das ist Gymnophobie
Zittern, Engegefühl, Herzrasen oder kalter Schweiß: das sind Symptome, die sich in Angstzuständen einstellen. Ja, du hast sie allein beim Gedanken, dass du dich beim Arzt nackt auszuziehen musst. Mache dir klar, dass diese Angst mehr als eine bloße Scham davor ist, nackt zu sein. Wenn du diese Symptome bei dir feststellst, dann handelt sich um eine Angststörung, die behandelt werden kann, behandelt werden muss. Denn Menschen meiden es, zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen oder Arztgänge überhaupt, wenn sie unter der Gymnophobie leiden. Das kann gravierende Folgen für deine Gesundheit haben.
Infobox
Die panische Angst vor Nacktheit (medizinisch: Gymnophobie; griechisch, gymnos = nackt) zählt zu den spezifischen Phobien (griechisch, Phóbos = panische Angst). Sie bezeichnet die übertrieben panische Angst und Scham davor, nackt zu sein, auch in Situationen, in denen Nacktheit im vertrauten oder medizinisch notwendigen Rahmen stattfindet.
Bei der Gymnophobie handelt es sich also um eine Angst, die dein Leben massiv beeinträchtigt. Klar, über weite Strecken deines Lebens musst du gar nicht nackt sein und du leidest in diesen langen Zeiträumen gar nicht an deiner Gymnophobie. Im gewöhnlichen Alltag wird schließlich eher das Gegenteil von dir erwartet, als nackt zu sein.
Aber sie ist da, du spürst, wie dich diese elende Angst vor dem nächsten Arztbesuch piesackt: gemein; meist verdrängst du deine Angst zwar erfolgreich, doch nur vermeintlich, du spürst die Panik tief in dir.
Woher kommt deine Angst davor, nackt zu sein, die so stark ist, dass sie sogar dein Leben beeinträchtigt?
- Bist du sooo hässlich? – Unsinn!
- Verbietet es dir deine Religion? – Welche Religion möchte dein Leben beeinträchtigen?
- …ach, ich spare mir weitere Fragen und Antworten!
→ Die Angst vorm Nacktsein ist eine Phobie. Punkt. Und jede Phobie sollte therapiert werden, so also auch deine Gymnophobie.
Wie du das machst? Fang klein an: aber konsequent, denn jede Angst wird dadurch überwunden, dass du die Ursachen für deine Angst tust! Dieser Sachverhalt ist bekannt? Eben!
Beginne also, dich mit dem Gedanken anzufreunden, dass du bewusst nackt bist, und wenn es in der Sauna ist; meinetwegen, wenn dort wenig los ist, und du dich in eine eher dunkle Kabine setzst und schwitzst.
Oder noch besser, in eine Dampfgrotte, die auch eher dunkel ausgeleuchtet ist und voller Wasserdampf, sodass du nur schemenhaft zu erkennen bist, – dafür aber nackt bist.
Wie du das lernen kannst, habe ich dir hier zusammengestellt:
Du bist schon etwas fortgeschrittener? Dann trage dich gerne hier ein:
Hier graben wir aber noch tiefer
Denn die Gymnophobie ist viel mehr als die medizinische Bezeichnung deines Leidens daran, dass du um keinen Preis der Welt nackt sein möchtest.
Sie ist insbesondere eine Diskriminierungsform.
Wenn du das verstehst, dann bin ich mir sicher, das es dir dabei hilft, deine Angst vor dem nächsten Arztbesuch zu überwinden und du dir einen Termin etwa für ein Hautkrebsscreening oder eine Darmspiegelung geben lässt.
Warum die Gymnophobie mehr als eine medizinische Krankheit ist
Geh bei dem folgenden Gedanken einmal mit und ziehe den Vergleich von der Gymnophobie zum Begriff der Homophobie.
Merkwürdig: das Verständnis von der Homophobie scheint ein ganz anderes zu sein als es bei der Gymnophobie der Fall ist; oder kennst du einen homophoben Menschen, der die körperlichen Symptome seiner Angststörung erfährt, weil er einer homosexuellen Person gegenübersteht?
Wohl kaum!
Allerdings sollte davon auszugehen sein: da es sich bei der sogenannten Homophobie bezeichnenderweise um eine Phobie handelt. Schließlich lässt sich nicht ausschließen, dass es Menschen gibt, die im Sinne des medizinisch aufgefassten Begriffs homophob sind, dass sie Panikattacken erleiden, weil sie zum Beispiel mit einer lesbischen Person sprechen oder ja: weil sie selbst lesbisch sind.
Woher rührt also die unterschiedliche Verwendungsweise und Auffassung von Gymnophobie und Homophobie?
Der Grund ist einfach; die sogenannte Homophobie ist keine medizinische Angststörung, sondern eine Diskriminierungsform; das heißt, dass der Begriff der Homophobie falsch, zumindest inkonsequent, verwendet wird – und eigentlich Menschen damit bezeichnet werden müssten, die in Panik geraten: wenn sie homosexuellen Menschen begegnen oder es gar selbst sind.
Irrwitzig deshalb, wie ich finde: die richtige Verwendung des Begriffs würde den pathologischen Wert von homophoben Menschen viel besser aufzeigen; und damit die Homophobie klar als eine Krankheit in Erscheinung treten lassen, die es zu heilen gilt, und nicht: andersherum – dass die Homosexualität die Krankheit ist, wie es offiziell schon der Fall war.
Deshalb frage ich dich jetzt: Kann die Gymnophobie als eine Diskriminierungsform aufgefasst werden, wie es beim üblichen Verständnis von Homophobie gemeinhin der Fall ist?
Unbedingt! Denn die Lesart der diskriminierenden Potenz fehlt bei der Gymnophobie völlig. Im öffentlichen Diskurs existiert kein gewachsener Ausdruck, der die gymnophobe Prägung unserer Gesellschaft und Kultur benennt; obwohl diese allgegenwärtig ist:
- wenn Menschen sich nicht trauen, nackt spazieren zu gehen, dies aber gerne tun würden,
- wenn mit der Angst vor Mobbing und Shitstorm im Internet argumentiert wird, Menschen den Mut zu nehmen, einfach nackt zu sein,
- oder mit der Keule des Totschlagsargumentes geschwungen wird, dass du nicht nackt sein darfst, weil ein junges unschuldiges Mädchen einen psychischen Schock erleiden könnte; sollte sie dir begegnen…
Ich kann mir gut vorstellen, dass deine Gymnophobie im Zusammenhang mit der inkonsequenten Verwendung des Begriffs der Homophobie steht; nicht direkt oder bewusst, aber doch wirkmächtig. Denn die fehlende Lesart der Gymnophobie funktioniert, weil sich niemand über die Diskriminierung von nackt lebenden Menschen bewusst ist. Nun auf, machen wir es uns bewusst:
Warum es wichtig ist, Gymnophobie als Diskriminierung zu verstehen
Die Ungleichung haben wir zur Gleichung gemacht:
Während die Homophobie landläufig als eine Diskriminierungsform aufgefasst wird, und nicht als ein medizinisch indiziertes Krankheitsbild der panischen Angst vor Homosexualität, stelle ich heraus, dass die Auffassung der Gymnophobie als panische Angst vor Nacktheit eigentlich eine Diskriminierungsform ist.
Denn ganz ehrlich: Tritt Panik auf, und kann das überhaupt der Fall sein: wenn ein Mensch einen nackten Menschen sieht, oder er selbst nackt ist?
Und wenn ja, hieltest du es nicht für richtig, diese Panik zu therapieren?
Von Menschen, die gegenüber der Homosexualität Vorbehalte oder gar eine feindselige Einstellung haben, forderst du wahrscheinlich mehr Toleranz ein. Du findest es nicht gut, wenn sie zu einem homosexuellen Pärchen, das sich in der Öffentlichkeit küsst, sagen: „Müsst ihr das in der Öffentlichkeit tun? Ich will so etwas Perverses nicht sehen müssen!“
Jetzt stell dir vor, dir begegnen nackte Menschen, die nichts anderes tun als du, vielleicht den Müll herausbringen oder Spazierengehen… Was denkst du?! Etwa, ob das in der Öffentlichkeit sein muss; gar, dass du so etwas Perverses nicht sehen willst?
Es ist eben einfacher auf andere zu zeigen, während man für dasselbe (!) Verhalten bei sich selbst blind ist!
Du hattest nicht mit dieser Möglichkeit gerechnet, dass dir in der Öffentlichkeit nackte Menschen begegnen können, weil du denkst, dass man nackt nicht nach draußen geht. Es lässt sich zwar erklären, dass dir ablehnende Gedanken in den Kopf schießen, wenn du unerwartet mit Nacktheit konfrontiert wirst. Nur: Reflektiert oder tolerant sind sie nicht – vielmehr sind sie auf ihren gymnophoben Grund als Diskriminierungsform zurückzuführen. Wenn es dir aber darum geht, intoleranten und feindlichen Haltungen von Menschen gegenüber anderen Menschen, die eine andere Lebensweise haben, tatsächlich entgegenzuwirken, dann darfst du das gymnophobe Klima in unserer Gesellschaft nicht ausklammern; Vielmehr zeigt sich hier an der Wurzel echter Toleranz, in welchem Maße eine Gesellschaft wirklich und tatsächlich tolerant ist, ohne dass Ängste wie die Angst vor homosexueller Ansteckung heraufbeschworen werden, die den Einzelnen homosexuell sein lassen, weil er sich küssende Männer sieht.
So laufen bestimmt auch nicht alle gleich und nur deshalb nackt herum, nur weil nackte unterwegs sind.
Abschließende Gedanken
Toleranz muss ansteckend sein, das Tolerierte darf es sein.
Für deine Gymnophobie heißt das, dass sie, solltest du sie wirklich haben, therapiert werden muss. Für alle Menschen heißt das, Nacktheit nicht zu pervertieren und nackte Menschen zu tolerieren. Für dich selbst bedeutet das wiederum, dass du andere Menschen nackt sein lässt, auch wenn das für dich persönlich endlich(!) und allenfalls beim Arzt in Frage kommen sollte.
Und glaube mir: Die Menschen um dich herum sind tolerant, ich erlebe es immer dann, wenn ich nackt nach draußen gehe.
Die Gymnophobie halte ich daher ohnehin für ein Hirngespinst, ob nun in der Auffassung als Diskriminierungsform oder als medizinisch indiziertes Krankheitsbild. Denn die Symptome, wie sie sich bei Panikattacken zeigen, kann ein nackter (oder schwuler) Mensch per se gar nicht auslösen: dazu sind allenfalls Hirngespinste in der Lage, die in einem homo- oder gymnophoben Klima in unsere Köpfe eingepflanzt worden sind.
Habe also Mut, nackt zu sein: Nudare aude!
Aus eigener Erfahrung hatte ich nie Probleme nackt zu sein. Schon als Kind hatte ich das Bedürfnis diesen natürlichen Zustand auszuleben. In der Pubertät war es für mich auch kein Problem, da wir nach dem Training oder einem Spiel immer zusammen nackt duschten. Bis heute versuche ich so oft es geht nackt zu leben. Ob in der Freizeit oder im Urlaub. Für mich ist das ein Gefühl der Freiheit, die meiner Seele gut tut. Ich wünsche mir, dass die Menschen, die das nicht kennen, es einfach mal ausprobieren, um sich eine eigene Meinung daraus zu bilden. Es ist so einfach. Nur Mut, getraut euch.
Die Hemmung oder Angst bei der Hautkrebsvorsorge vollkomen nackt vor dem Arzt zu stehen kommt zwar bei vielen vor, ich habe jedoch auch die Erfahrung gemacht, dass manche Ärtze eine solche Untersuchung auch nicht konsequent durchführen. Ich war schon häufig beim Haus- und Dermatologen für solche Untersuchungen, auch gerade weil ich viele Leberflecken habe. Keiner der Ärzte hat mich jemals aufgefordert, auch die Unterhose auszuziehen, um kontrollieren zu können, ob ich am Genital oder dem Hintern verdächtige Hautveränderungen habe. Selbst Ärzte, die einen doch gründlich untersuchen sollten, gerade im Bereich der Vorsorge, haben scheinbar Hemmungen mit der Nacktheit.
Muss man nicht erschrecken, eine solche Überschrift hier im Blog zu lesen?
„Nacktsein: so überwindest du deine Angst davor“
Warum kann eigene oder fremde Nacktheit Angstgefühle auslösen? Und eine Gewissheit habe ich; Nacktheit – um klarzustellen, was damit gemeint ist: als redliche Nacktheit verstanden im Sinne von rechtlich erlaubter und sozialadäquater Nacktheit eben auch im öffentlichen Raum – hat bei mir noch nie Angstgefühle ausgelöst, und damit bin ich nicht alleine.
Auf der Website von Statista ist zu lesen, dass die Freunde der Freude am Nacktsein eine sehr große Gruppe darstellen. Ca. 26 % der über 18 Jahre alten Menschen in Deutschland, also ca. 16.600.000 Menschen, fühlen sich dort wohl, wo man in der Öffentlichkeit nackt sein kann.
Ich bin einer dieser 16.600.000 Menschen und dass seit Anfang an. Denn Angst vor der Nacktheit ist nicht angeboren sondern ggf. anerzogen. Und von einer solchen Fehlleistung der Erziehung – wie auch immer motiviert – bin ich verschont geblieben. So gut wie ich mögen es die erwähnten 16.599.999 Menschen alle nicht getroffen haben. Aber soweit sie hinsichtlich der Nacktheit eventuelle „Erziehungsfehler“ erkannt haben, haben sie sich von der Angst befreit, wie es auch Ulrich Wolfstädter als möglich aufzeigt.
Den noch Ängstlichen wünsche ich beim Abschütteln der Angst viel Erfolg; es lohnt sich!
Hallo, Alexandra, seit einiger Zeit gehöre ich nun auch zu den 16.599.999 Menschen, von denen Du geschrieben hast, die sich unter Nackten sehr wohl fühlen. Am hiesigen Baggersee habe ich jahrelang immer etwas neidisch zu den Nackten geschaut, die sich hier ganz ungezwungen neben uns Badeanzugtragenden bewegten. Die nackten Frauen und Männer waren gleichmäßig schön braun. Wenn sie aus dem Wasser kamen hatte sie keinen Trouble mit ihrem nassen Zeug. Und deren lockeres Selbstbewusstsein trotz Nacktheit hat mich sehr beeindruckt. Ich war so erzogen, dass man sich in der Öffentlichkeit nicht nackt zeigt; warum wusste ich aber nicht. Auf Fragen hieß es: „Das tut man nicht“.
Im letzten Winter habe ich dann „die Kurve gekriegt“. Eine Freundin von mir hatte von Saunabesuchen berichtet und mich überredet, einmal mitzukommen. Aus einmal sind viele Male geworden und ich hatte endlich begriffen, wie unkompliziert völlige Nacktheit mit anderen zusammen ist. Und dann kam der Sommer 2024 und der Besuch wieder am Baggersee. Ich habe mich auch dort einfach nackt gemacht. Es war ja nicht viel anders als in der Sauna. Aber viel anders als in den letzten Jahren; ich war nun auch nackt am Baggersee und das fand ich sehr schön. Nun weiß ich, dass man sich auch in der Öffentlichkeit – auch unter Bekleideten – locker nackt zeigen kann und dieses niemanden besonders interessiert. Vielleicht lernen das auch andere, die hier den obigen Text lesen.
Hallo Uli, komme gerade vom Urlaub aus Fuerteventura zurück. Ich war die meiste Zeit nackt und bin auch viel nackt gewandert und dies nicht nur am Strand. Es war einfach wunderschön, diese Freiheit zu spüren.
Das freut mich, Reiner!